12. Güemes – Santilla del Mar

Dieser Nachmittag in Güemes hat mich daran erinnert, was mich eigentlich auf dem Camino gebracht hat: Er hat mich daran erinnert, dass es nicht darum geht nach Santiago zu laufen sondern vor Augen zu haben, dass es darum geht seinen Weg zu sich selber zu finden. Es geht darum, die Natur wahrzunehmen, zu entschleunigen, die Augen offen zu haben, Menschen zu erkennen und vor allem einen Zugang zu sich selber zu bekommen. Ich bin nahezu zwei Wochen unterwegs und mir fällt auf, dass ich jetzt.. kurz vor der Halbzeit der Reise bemerke, dass ich einen anderen Weg eingeschlagen habe als ich mir erhofft hatte. Ich bin viele Kilometer gelaufen (ca. 300).. habe zwar Menschen kennen gelernt.. aber keine tiefsinnigen Gespräche über den Sinn des Lebens geführt sondern oberflächliche Gespräche über das Wetter, das Essen, die Landschaft und die Herbergen geführt. Das ist auch gut, aber für mich einfach nicht alles. Mein Ziel beziehungsweise mein Anspruch an diesen Weg ist ein anderer. Ich möchte wieder einen besseren Kontakt zu mir herstellen, mich nicht unwohl in sozialen Situationen fühlen und einen Teil der Menschen die ich auf dem Weg treffe mitnehmen.

Pfarrer Enesti hat gesagt, dass in seinem Meditationsraum der Weg des Lebens dargestellt ist, diese Wandmalereien bedeuten mir sehr viel und zeigen mir die eigentliche Botschaft des Caminos. Es soll hier darum gehen: jeden Menschen anzunehmen so wie er ist. Jeder Mensch befindet sich in einer anderen Situation in seinem Leben, es steht nicht zu zu urteilen über einen anderen Menschen. Es gibt Gründe warum sich jeder einzelne von uns auf diesem Weg macht: manche suchen sich, manche haben sich gefunden und wollen bei sich bleiben, manche wollen einfach nur Spaß haben, manche möchten einen günstigen Urlaub haben und manche sind einfach verliebt in den Weg.. es gibt so viele verschiedene Gründe hier zu sein.

SOVIEL DAZU.

Nach einem kleinen Yoga-Einstieg in den Tag, breche ich morgens bei leichtem Nieselregen auf und begebe mich nach elf Tagen das aller erste Mal alleine auf den Camino. Der Weg führt entlang einer Straße zu einem Strand, diesen gehe ich einige Kilometer entlang.. am Ende gehe ich links in Richtung eines Hafens. So schnell gehen die ersten drei Stunden um, außer immer wieder kleinen Gesprächen mit Pilgern bin ich mir treu geblieben und alleine gegangen.

Mit einer kleinen Fähre überqueren wir den Atlantik von Somo nach Santander. In Santander mache ich mit einigen anderen Pilgern eine Mittagspause – die anderen machen sich Gedanken wo sie heute Nacht bleiben wollen. Es steht fest, dass wir nicht in Santander bleiben werden (ich habe die Stadt bereits gesehen, da ich hierher geflogen bin) für mich steht fest, dass ich weiterlaufe. Der Gedanke daran, dass ich nach Santander Kilometerlang durch ein Industriegebiet laufen muss.. stört mich. Nach einigen Überlegungen entscheide ich mich dafür den Zug bis nach Barreda zu nehmen um ein letztes Stück nach Santilla del Mar zu laufen.

Die letzten zwei Stunden laufen entlang einer Bundesstraße, die Sonne brennt auf meiner Haut und mein Körper wird langsam müde. Als ich plötzlich die Anfänge der Mittelalterlichen Stadt entdecke bin ich glücklich. Diese Stadt ist unglaublich sehenswert. Obwohl ich erst gegen halb sechs ankomme, bekomme ich ein Bett in der Herberge. Ich genieße meine wohlverdiente warme Dusche, schlendere durch die Altstadt und kaufe ein.

Am Abend trinke ich in Gesellschaft von anderen Pilgern ein wenig Wein und lasse diesen Tag ausklingen.

Die Entscheidung: eine größere Strecke mit dem Zug zurück zu legen fiel mir nicht ganz leicht, da ich somit weiß: ich werde die anderen Pilger wahrscheinlich nicht mehr sehen, da ich Ihnen eine Etappe voraus bin. Auf dem Camino geht es oft um solche Entscheidungen, welche wir auch im Leben treffen müssen: welche Freundschaften möchte ich leben, welche Werte sind mir wichtig, wie möchte ich meine Freizeit gestalten.. etc. Auch, wenn ich diese Menschen erst seit circa einer Woche kenne, fällt es mir schwer mich aus der Gruppe zu Lösen. Trotzdem entscheide ich mich heute dafür, alleine weiterzugehen. Ich habe einfach dieses Bedürfnis mehr Ruhe zu haben und mich weniger an andere Menschen zu binden.

Dieser Tag ist meiner Meinung nach ein sehr einschneidender Tag für mich. Ob es der Eindruck der Herberge La Cabãna del Abuelo Peuto ist, das weiß ich nicht. Ich habe meine Wanderstöcke in der Herberge vergessen.. ob das ein Zeichen war, dass ich eines Tages wieder kommen soll.. ich weiß es nicht.

Ein Gedanke zu „12. Güemes – Santilla del Mar“

  1. Hi liebe Pilgerfreundin, das hast sehr schön und treffend geschrieben dies macht der Weg aus. Ich habe heute Morgen den Pigersegen von unserem Pfarrer bekommen da ich am Dienstag meine Pilgerreise beginne.
    Genau die gleichen Worte gab er heute Morgen mit auf den Weg. Ich wünsche dir noch eine schönen Pilgerreise mit der Sicht die Du beschrieben hast.
    Liebe Grüße Georg

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